Aktuelles

Mit Urteil vom 09.09.2021; AZ C-33/20, C-155/20 und C-187/20 hat der EuGH ein weiteres Mal die Rechte von Verbrauchern zum Widerruf von Kfz-Darlehensverträgen gestärkt.

Wenn ein Autokreditvertrag fehlerhafte oder unvollständige Angaben enthält, können Kreditnehmer den Kfz-Darlehensvertrag noch Jahre nach dem Vertragsschluss widerrufen.

Grundsätzlich haben Kreditnehmer die Möglichkeit, den Kfz-Darlehensvertrag binnen 14 Tagen nach Vertragsschluss zu widerrufen. Die Frist zum Widerruf beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Darlehensgeber den Darlehensnehmer über alle gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben im Vertrag informiert hat. Enthält der Kreditvertrag diese Pflichtangaben nicht, so beginnt auch die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen. In der Folge können fehlerhafte Autokreditverträge auch Jahre nach dem Abschluss noch widerrufen und rückabgewickelt werden.

Der EuGH hat nun in drei Verfahren, welche ihm vom Landgericht Ravensburg zur Klärung vorgelegt wurden, zu bestimmten offenen Rechtsfragen darüber, welche Pflichtangaben zwingend im Vertrag gemacht werden müssen, Klarheit geschaffen. Insbesondere ging es um die Fragen, ob und in welchem Umfang die Banken ihre Kunden in den Kreditverträgen über die Höhe des Verzugszinses und die Möglichkeiten für Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren informieren müssen.

Angaben zum Verzugszins

Bezüglich der Angaben zum Verzugszins stellt der EuGH klar, dass dieser in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben ist und der Mechanismus der Anpassung konkret zu beschreiben ist. Die Darstellung der Berechnungsmethode muss für den Kreditnehmer hierbei leicht verständlich sein. Des Weiteren muss die Häufigkeit der Änderung des entsprechenden Basiszinssatzes im Darlehensvertrag angegeben werden.

Angaben zu Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren

Weitere Pflichtangaben im Kreditvertrag sind nach dem EuGH, dass die Bank im Kreditvertrag selbst über alle außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren informieren muss. Zudem sind Hinweise auf die Verfahrenskosten zu erteilen.

Welche Vorteile bringt der Widerruf einer Autofinanzierung?

Der Fahrzeugkauf und die Finanzierung erfolgen als sogenanntes verbundenes Geschäft regelmäßig gemeinsam, weil das Autohaus meist auch den finanzierenden Kredit vermittelt hat. Der Widerruf des Kfz-Kredites führt daher regelmäßig dazu, dass auch der Kaufvertrag für das Fahrzeug rückabgewickelt wird.

Im Rahmen der Rückabwicklung gibt der Kreditnehmer das finanzierte Fahrzeug an die Bank zurück und muss die Kreditraten nicht mehr zahlen. Auch erhält der Kunde alle bis zum Widerruf auf den Kredit geleisteten monatlichen Zahlungen sowie eine gegebenenfalls geleistete Anzahlung zurück. Im Gegenzug muss er sich gegenüber der Bank jedoch einen gewissen Wertverlust anrechnen lassen, den das Auto zwischen dem Kauf und der Rückgabe erlitten hat. Der Wertersatz wird dabei mit dem Anspruch des Kunden auf Erstattung der gezahlten Kreditraten und einer gegebenenfalls geleisteten Anzahlung verrechnet.

Der Widerruf sollte erklärt werden, solange die Finanzierung noch läuft. Bei bereits beendeten Kreditverträgen wird - auch nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH - regelmäßig eine Verwirkung des Widerrufsrechts angenommen. Das bedeutet, dass der Kreditnehmer den Widerruf nicht mehr erklären durfte.

Zahlreiche Banken und Sparkassen haben in ihren Darlehensverträgen unzureichend über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung informiert. Für diese Fälle sieht das Gesetz (§ 502 Absatz 2 Nr. 2 BGB) den Entfall der sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung vor. Dies gilt jedoch nur für Darlehensverträge, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden.

Wann fällt grundsätzliche eine Vorfälligkeitsentschädigung an?

Diese fällt zunächst nach § 502 Abs. 1 BGB immer dann an, wenn ein Darlehensnehmer seinen Darlehensvertrag innerhalb der Zinsbindungsfrist vorzeitig ablösen will. Diese Ablöse ist bei Immobiliardarlehen möglich, wenn der Darlehensnehmer ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Rückzahlung hat und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind (§ 490 Absatz 2 BGB). Bei vorzeitiger Ablöse hat die Bank dann einen Anspruch auf die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung.

Wann entfällt der Anspruch der Bank auf die Vorfälligkeitsentschädigung?

Diese Möglichkeit eröffnet § 502 Absatz 2 Nr. 2 BGB für solche Darlehensverträge, die zum einen ab dem 21.03.2016 abgeschlossen worden sind und zum anderen unzureichende vertragliche Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung machen.

Nach § 502 Absatz 2 Nr. 2 BGB ist für die Bank im Falle der vorzeitigen Zurückzahlung des Darlehens der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, wenn

„im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“.

Beispiele für eine unzureichende Information seitens der Bank:

Fehlerhafte Information bei der Berechnung des Zinsausfallschadens

Enthalten Darlehensverträge die Information, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bzw. des Zinsschadens die Renditen von „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“ anzusetzen sind, so ist diese Information fehlerhaft. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor langem entschieden, dass die höheren Renditen für Hypothekenpfandbriefe als Berechnungsmaßstab für den Zinsschaden von den Banken anzusetzen sind.

Sondertilgungsrecht im Darlehensvertrag sind bei der Berechnung zu berücksichtigen

Banken müssen in Kreditverträgen darauf hinweisen, dass Sondertilgungsrechte – sofern sie natürlich vereinbart sind - oder eine Ratenerhöhung, zugunsten des Kunden zu berücksichtigen sind. Unterlässt eine Bank diesen Hinweis, verliert sie ihren Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung.

Fehlerhafte Information bei Darlehensverträge mit einer längeren Zinsbindung als 10 Jahre über das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

In vielen Verträgen findet sich die Information, dass Kreditnehmer ihre Darlehen vor Ablauf der Zinsbindung bei Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ nur gegen Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen dürfen. Beträgt die Zinsbindung eines Darlehensvertrages mehr als zehn Jahre, sind diese jedoch gemäß § 489 BGB mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist für den Darlehensnehmer ohne Anfallen einer Vorfälligkeitsentschädigung kündbar, wenn seit der Vollauszahlung des Darlehens 10 Jahre vergangen sind. Viele Banken haben jedoch in ihren Verträgen – entgegen dieser gesetzlichen Regelung -die Information, dass der Darlehensnehmer den Vertrag vor Ablauf der Zinsbindungsfrist bei Vorliegen eines berechtigten Interesses nur gegen die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ablösen könne. Dadurch entsteht beim Kreditnehmer der Eindruck, dass die Bank ihren Schaden auf die gesamte Vertragslaufzeit berechnen dürfe. Tatsächlich darf die Bank ihren Zinsverlust nur bis zur erstmöglichen Kündigungsmöglichkeit berechnen. Diese fehlerhafte Information seitens der Bank stellt einen Fehler im Sinne des § 502 Absatz 2 Nr 2. dar und führt dazu, dass der Anspruch der Bank auf die Vorfälligkeit entfällt.

Zu beachten ist:

Hat eine Bank in ihren Darlehensverträgen unzureichende Informationen zur Vorfälligkeitsentschädigung gemacht, so kann sie diese Fehler nicht mehr nachträglich heilen, zum Beispiel indem sie den Zinsschaden dann doch richtig berechnet. Eine einmal fehlerhafte Information kann nicht mehr nachträglich von der Bank geheilt werden. Die Bank verliert ihren Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung.

Möglichkeit für den Bankkunden

Sollte die Bank im Fall einer vorzeitigen Ablöse eines Darlehens, eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, so sollte man zunächst prüfen, ob eine solche überhaupt von der Bank geltend gemacht werden darf. Bei unzureichender Information über die Vorfälligkeitsentschädigung entfällt der Anspruch der Bank hierauf.

Kündigung von Sparverträgen

Der Bundesgerichtshof hat am 14.05.2019 entschieden, dass eine Bank einen Prämiensparvertrag nicht vor Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen kann.

Im zu entscheidenden Fall ging es um das „S-Prämiensparen flexibel“. Die Kläger schlossen bei der beklagten Sparkasse insgesamt drei Sparverträge in den Jahren 1996 und 2004 ab. Neben einer variablen Verzinsung des Sparguthabens sahen die Verträge erstmals nach Ablauf des dritten Sparjahres die Zahlung einer Prämie in Höhe von 3 % der im abgelaufenen Sparjahr erbrachten Sparbeiträge vor. Vertragsgemäß stieg diese Prämie bis zum Ablauf des 15. Jahres auf 50 % der geleisteten Sparbeiträge an. Die beklagte Sparkasse warb für das Prämiensparen mit einer Werbebroschüre. In dieser war u. a. eine Musterrechnung enthalten, in welcher beispielhaft die Entwicklung eines Sparguthabens über einen Zeitraum von 25 Jahren bei einer monatlichen Sparrate von 150 DM einschließlich der jährlichen Prämienzahlungen dargestellt wird. Am 05.12.2016 erklärte die Bank die Kündigung des Sparvertrages aus dem Jahr 1996 mit Wirkung zum 1. April 2017 sowie die Kündigung der Sparverträge aus dem Jahr 2004 mit Wirkung zum 13. Als Begründung führte sie das niedrige Zinsumfeld an. Die Kläger gingen gegen diese Kündigung gerichtlich vor und klagten auf Feststellung des Fortbestandes dreier Sparverträge, da sie der Ansicht waren, dass die von der Bank erklärten Kündigungen unwirksam seien.

Rechtliche Einordung

Für alle Sparverträge galten die AGB-Sparkassen der Beklagten (Stand: 21. März 2016). Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen enthielt folgende Regelung:

„(1) Ordentliche Kündigung
Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen. …“

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der BGH hat im Ergebnis der Sparkasse Recht gegeben, da im vorliegenden Fall die höchste Prämienstufe erreicht war. Der BGH stärkt jedoch gleichsam auch die Rechte derjenigen Verbraucher, deren Sparverträge vor Erreichen der höchsten Prämienstufe gekündigt werden.
Eine Kündigung könne eben auch nicht vor Ablauf von 15 Jahren ausgesprochen werden, da man das Kündigungsrecht, das die AGB ohne Angabe eines bestimmten Zeitraums vorsehen, für diese Zeit stillschweigend abbedungen habe. Ansonsten würde es nach Ansicht der Richter keinen Sinn machen, dass das Produkt mit mehreren Prämiensteigerungen binnen 15 Jahren beworben worden sei.

Der BGH hierzu wortwörtlich: „Die Sparverträge sind auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffel [...] dahin zu verstehen, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart.“ So wurde gerade mit der Prämienstaffel ein „Bonusanreiz“ gesetzt, der nur mit einem 15-jährigen Anspruch auf Weiterführung denkbar sei. Der Bundesgerichtshof schafft somit Sicherheit für die Sparer, dass ihnen die zugesagten Prämien, welche überhaupt erst der Anreiz für das Sparen waren, nicht durch die Banken einseitig entzogen werden können.

Nachforderung von Zinsen auf den Sparvertrag

Sollte die höchste Prämienstufe bereits erreicht sein, wird man gegen die Kündigung des Sparvertrages nicht mehr vorgehen können. Es besteht dann jedoch die Möglichkeit, Zinsen auf den Sparvertrag über die gesamte Laufzeit nachzufordern. Gerade in älteren Sparverträgen haben die Banken oft variable Zinsanpassungsklauseln verwendet. Im Juni 2021 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hier den Sparern den Rückens gestärkt und eine Allgemeinverfügung erlassen: Hiernach müssen Sparkassen, welch die variablen Zinsanpassungsklauseln verwenden, Sparer darauf aufmerksam machen. Die Sparkassen müssen danach auch offenlegen, anhand welches Referenzzinssatzes sie die variablen Zinsen jeweils berechnet haben. Hier ergibt sich die Möglichkeit für Sparer, Zinsen für die gesamte Vertragslaufzeit nachzufordern.